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Die Verfahrensbeistände

1. Allgemeine Ziele und Arbeitsprinzipien

Die im Gesetz benannte Aufgabe des Verfahrensbeistands ist die Wahrnehmung der Interessen des Kindes im gerichtlichen Verfahren.

Wie vom Gesetzgeber intendiert, orientiert der Verfahrensbeistand seine Tätigkeit an dem Ziel, die eigenständigen Interessen des Kindes in das Verfahren einzubringen und dazu beizutragen, dass dem Kind eine Subjektstellung im gerichtlichen Verfahren zukommt. Zur Erfüllung dieser Aufgaben unterstützt der Verfahrensbeistand das Kind seiner Entwicklung angemessen dabei, seine subjektiven Wünsche und Vorstellungen herauszubilden und zum Ausdruck zu bringen, sofern dieses nach Alter und Entwicklungsstand hierzu in der Lage ist.

Der Verfahrensbeistand stellt Wünsche und Vorstellungen des Kindes differenziert und umfassend im gerichtlichen Verfahren dar. Er gestaltet das Verfahren im Interesse des Kindes durch Teilnahme an Verhandlungen, Stellung von Anträgen und andere Rechtshandlungen, Abgabe von Empfehlungen und Einlegung von Rechtsmitteln und sorgt nicht zuletzt durch Geltendmachung von Anhörungsrechten für eine Beteiligung des Kindes im Verfahren. Darüber hinaus informiert der Verfahrensbeistand das Kind über den Fortgang des gerichtlichen Verfahrens, über die Ergebnisse von Verhandlungen sowie über ergangene Beschlüsse und bemüht sich um eine größtmögliche Unterstützung und Beratung des Kindes.

Eine qualifizierte Wahrnehmung der Interessen des Kindes kann es im Einzelfall unumgänglich machen, dass der Verfahrensbeistand eigene Sachverhaltserfassungen zu den wohlverstandenen Interessen des Kindes durchführt und sich nicht auf die Wiedergabe der subjektiven Wünsche des Kindes beschränkt.

Zu den grundlegenden Aufgaben des Verfahrensbeistands gehört es, sich einen unmittelbaren und persönlichen Eindruck vom Kind zu machen. In der Regel erfordert es eine Interessenvertretung auch, das Lebensumfeld des Kindes kennen zu lernen, mit den Sorge – / Umgangsberechtigten zu sprechen und es in Interaktion mit seinen Bezugspersonen zu erleben, sofern dies nicht den Bedürfnissen des Kindes widerspricht.

Der Verfahrensbeistand achtet darauf, dass Verfahrensverzögerungen, die den Interessen des Kindes entgegenstehen, vermieden werden und wirkt auch bei anderen Verfahrensbeteiligten sowie gegenüber dem Gericht darauf hin.

Verfahrensbeistände sind gegenüber Dritten zur Verschwiegenheit sowie zur Einhaltung von Datenschutzbestimmungen verpflichtet. Gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO haben Verfahrensbeistände ein Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen.

2. Ziele und Aufgabenbeschreibung

Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen (§ 155 Abs.1 FamFG).

Oberstes Ziel der Arbeit des Verfahrensbeistands ist es auch hier, das Kind als eigenständige Person mit seinen Grundrechten wahrzunehmen, seinen Willen und seine Gefühle ernst zu nehmen und das kindliche Zeitempfinden zu berücksichtigen. Die äußeren Rahmenbedingungen, unter denen die beschleunigten Verfahren ablaufen, erfordern für die Arbeit der Verfahrensbeistände Änderungen.

3. Anforderungen

Jeder Verfahrensbeistand muss gewährleisten können, dass er unmittelbar nach Beauftragung tätig werden kann.

Im Wildeshauser Familienverfahren muss er bis zum mündlichen Termin (innerhalb von 1-2 Wochen) einen ersten Kontakt mit dem Kind/ den Kindern aufnehmen und möglichst auch Gespräche mit den Eltern führen. Im Wildeshauser Familienverfahren gibt der Verfahrensbeistand im mündlichen Termin seine Stellungnahme mündlich ab.

In sonstigen, nicht vorrangig zu bearbeitenden Verfahren wird vor der mündlichen Verhandlung eine kurze, nicht mehr als ca. 2 Seiten umfassende schriftliche Stellungnahme durch den Verfahrensbeistand abgegeben.

Wegen der erhöhten Anforderungen an den Umgang mit Kindern unterschiedlichen Alters, sollten Verfahrensbeistände mit einer Ausbildung im pädagogischen Bereich oder zertifizierten Zusatzqualifikation oder längerer geeigneter kindbezogener Berufserfahrung diese Tätigkeit übernehmen.

Gleichzeitig ist es notwendig, diese Arbeit durch Supervision und/oder kollegiale Beratung zu begleiten und ggf. zu korrigieren.

4. Inhalte der Arbeit

Kontaktaufnahme zum Kind, zu den Kindern. Dabei geht es darum – im Normalfall innerhalb eines Termins – folgende Punkte zu klären:

Altersangemessene Information über die Aufgabe des Verfahrensbeistands und das Verfahren

Erkundung der Lage und Sicht des Kindes zum Problem. Hierbei ist besonderer Wert auf die Klärung der emotionalen Betroffenheit des Kindes zu legen.

Mögliche Lösungswege aus Sicht des Kindes erarbeiten. Dabei sollten im Vordergrund die frei formulierten Wünsche des Kindes stehen – nicht deren Realisierbarkeit. Gleichzeitig muss den Kindern aber auch vermittelt werden, dass ihre Wünsche einen hohen Stellenwert haben, dass die endgültige Entscheidung aber in den Händen der Sorgeberechtigten ggf. des Gerichts liegt.

Information des Kindes über den weiteren Verfahrensablauf und ggf. die Vorbereitung des Kindes auf die gerichtliche Kindesanhörung sowie Begleitung des Kindes zum gerichtlichen Anhörungstermin.

Je nach Umfang der Bestellung (Vermittlungsauftrag des Gerichts) werden zusätzlich Gespräche mit den Eltern und weiteren Personen, die nach Ansicht des Verfahrensbeistands gehört werden sollen, geführt.

Austausch/Rücksprache mit dem beteiligten Jugendamt.

Vorbereitung auf die Anhörung. Die Ergebnisse der Arbeit mit dem Kind werden mündlich vorgetragen.

Abschlussgespräch mit dem Kind nach Beendigung des gerichtlichen Verfahrens.

Abschlussgespräch mit dem Kind nach Beendigung des Vermittlungs-/Beratungsgespräch bei der psychologischen Beratungsstelle.

Wenn die Eltern im Rahmen einer Beratung ein Konzept für eine Lösung erarbeitet haben, ist es Aufgabe des Verfahrensbeistands, diese dem Kind altersangemessen und kindgerecht zu übermitteln und eventuelle Ergänzungen vom Kind der Beratungsstelle – und damit den Eltern – zu übermitteln, damit sie dies in die Lösung einarbeiten.

Anmerkung:

Sollte das Familiengericht einen Ergänzungspfleger bestellen, wird der Ergänzungspfleger in der Regel die oben beschriebenen Aufgaben in gleicher Weise wie der Verfahrensbeistand übernehmen.

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