Schulabsentismus/Schulverweigerung
Schulabsentismus/Schulverweigerung
Neues Konzept des Amtsgerichts Wildeshausen zum Schulbeginn:
Frühe familiengerichtliche Intervention bei Schulverweigerung
Schulabsentismus und Schulverweigerung sind ein gesellschaftliches Problem: Schulabsentismus führt oft zu weiteren Schwierigkeiten der/des Jugendlichen, möglicher Delinquenz, einem Gefühl des „Abgehängtseins“ und Problemen in der Ausbildung. Neben diesem individuellen Schaden in Form der Gefahr des Ausschlusses aus der Gesellschaft bedeutet Schulverweigerung und darauf basierende fehlende Ausbildung auch einen volkswirtschaftlichen Gesamtschaden.
Das Amtsgericht Wildeshausen wird in seinem Bezirk bei der Frage des Umgangs mit Schulabsentismus bzw. Schulverweigerung von Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren ab dem 01.08.2017 und damit zu Beginn des neuen Schuljahres neue Wege einschlagen:
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Das Ziel
Ziel der neuen Handhabung beim Amtsgericht ist die frühe familiengerichtliche Intervention bei Schulverweigerung von Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren. Anders als bisher soll bei Jugendlichen nicht mehr nur ein durch das Schulamt betriebenes gerichtliches Bußgeldverfahren im Vordergrund stehen, sondern eine frühere Einschaltung des Familiengerichts, um gegenüber den Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten einerseits und auch gegenüber der/ dem Jugendlichen andererseits Maßnahmen im Rahmen von § 1666 BGB (gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls) zu ergreifen, die zu einer Aufarbeitung der Problematik und der Ursachen von Schulverweigerung führen.
Die individuellen Ursachen von Schulverweigerung sollen dabei im Fokus stehen und frühzeitig bearbeitet werden. Dabei soll eine enge Kooperation der verschiedenen Akteure (Schulen, Schul- und Jugendamt, Jugend- und Familienrichter) erfolgen.
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Das bisherige Verfahren
Bisher sah das Verfahren beim Amtsgericht folgendermaßen aus:
Das Schulamt erlässt bei Schulverweigerern einen Bußgeldbescheid gegenüber der/dem Schulpflichtigen (und ggf. auch den Erziehungsberechtigten), das beim ersten Mal 50,- Euro beträgt, und in Folgefällen 100,- Euro bis zu 200,- Euro. Wird das Bußgeld nicht entrichtet, beantragt das Schulamt bei der Jugendbußgeldrichterin des Amtsgerichts Wildeshausen für die Vollstreckung gegenüber der/dem Jugendlichen die Verhängung einer Arbeitsauflage statt der Geldbuße. Die Jugendbußgeldrichterin verhängt i.d.R. 10 Arbeitsstunden beim ersten Verfahren und 15 Arbeitsstunden in Folgeverfahren. Die Jugendgerichtshilfe sucht daraufhin für die/den Betroffene/n einen Einsatzort, der i.d.R. keine pädagogische Betreuung aufweist (Friedhof, Altersheim u.a.). Wird diese Arbeitsauflage nicht erfüllt, wird nach Anhörung ein Beugearrest von max. 1 Woche Jugendarrest verhängt, in der Regel ist dies ein Freizeitarrest (Arrest von Freitag bis Sonntag in der Jugendarrestanstalt Emden).
Dieses Verfahren führt nicht dazu, dass die/der Schulpflichtige nun wieder zur Schule geht. Dafür spricht die hohe Zahl der „WiederholungstäterInnen“. Unter insgesamt 17 Verfahren bei der Jugendbußgeldrichterin im Jahr 2017 (Stand Anfang Juni) befanden sich 8 „WiederholungstäterInnen“.
In den vergangenen Jahren gab es am Amtsgericht Wildeshausen kein einziges Verfahren nach § 1666 BGB bei Schulverweigerern.
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Der neue Weg
Bei unentschuldigten Fehlzeiten jedenfalls ab 15 Tagen wird das Verfahren in Zukunft von der Jugendbußgeldrichterin an das Familiengericht am hiesigen Amtsgericht weiter geleitet.
In dem familiengerichtlichen Verfahren wird geprüft, ob das geistige und seelische Wohl des Jugendlichen gefährdet ist (§ 1666 BGB). Dabei erfolgt eine frühe Einbindung der Eltern, das Problembewusstsein bei Eltern und Schülern wird verstärkt und es können pädagogische Maßnahmen und ggf. psychologischen Hilfestellungen festgesetzt werden. Anders als das Bußgeldgericht kann das Familiengericht Eltern und Kindern gebieten, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, und entsprechende Maßnahmen anordnen.
Gefördert wird die Mitarbeit dabei durch den Druck im familiengerichtlichen Verfahren, da bei einer Verweigerungshaltung die elterliche Sorge jedenfalls teilweise entzogen werden könnte.
Wenn das Problem der Schulverweigerung beim Familiengericht bearbeitet oder sogar gelöst wird, ist damit auch das Bußgeldverfahren erledigt.
Falls der Jugendliche allerdings an dem Verfahren nicht mitwirkt, wird im Bußgeldverfahren eine Arbeitsauflage angeordnet (gemeinnützige Arbeit). Diese soll aber - anders als bisher - möglichst nicht auf Friedhöfen oder in anderen gemeinnützigen Einrichtungen erfolgen, sondern eine Anbindung an die Projekte des Landkreises Oldenburg „Viasol“ (Jugendhof Steinkimmen) und „Lupo“ (Jugendwerkstatt Kirchhatten) erfahren, die für Schulverweigerer Alternativen zur Schulpflicht vorsehen. Auch eine pädagogische Betreuung der Jugendlichen durch den Verein Brücke e.V erscheint wünschenswert. Nur wenn auch diese Auflage nicht erfüllt wird, droht als letzte Maßnahme - wie bisher - der Jugendarrest.
Die Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren liegt damit im Interesse des Jugendlichen.
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Begrenzung des Projekts
Das Projekt der Abgabe von Verfahren durch die Jugendbußgeldrichterin an das Familiengericht des Amtsgerichts Wildeshausen ist begrenzt auf Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren.
Zwar ist auch bereits eine Intervention gem. § 1666 BGB bei Kindern wünschenswert. Gegen diese richtet sich aber kein Bußgeldverfahren, da dieses die Strafmündigkeit voraussetzt. Andererseits sind Maßnahmen nach § 1666 BGB nach Erreichen der Volljährigkeit in der Regel ausgeschlossen, so dass eine Abgabe an das Familiengericht bei Bußgeldverfahren gegen 18-jährige, die noch der Schulpflicht unterliegen, nicht erfolgt.
Bei unentschuldigten Fehltagen von weniger als 15 wird in der Regel kein Anhörungstermin beim Familienrichter erfolgen, da insoweit (noch) nicht von einer Gefährdung des seelischen und geistigen Wohls des Jugendlichen i.S. von § 1666 Abs. 1 BGB auszugehen sein wird. In diesen Fällen bleibt es beim bisherigen Verfahren (Sozialstunden bei gemeinnützigen Einrichtungen), wenn nicht bereits eine besondere pädagogische Betreuung für erforderlich gehalten wird.
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Rolle der Schulen
Damit der neue Weg ein Erfolg wird, sind die Schulen gebeten worden, dem Schulamt und dem Jugendamt auch weiterhin frühzeitig und zeitnah über unentschuldigte Fehltage zu berichten, damit diese informiert sind und somit auch die frühe Intervention des Gerichts erfolgen kann. Insoweit wurde auf die Handlungsempfehlung des Landkreises für Schulen im Landkreis Oldenburg verwiesen, die als Richtwert eine Meldung ab dem 5. unentschuldigten Fehltag vorsieht.
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Weiterer Ablauf
Zum Beginn des neuen Schuljahres wird das Amtsgericht Wildeshausen nach dem oben beschriebenen Verfahren handeln. Mit einer ersten Evaluierung (quantitativ und qualitativ) ist zum 01.02.2018 zu rechnen.
(Dr. Ann-Katrin von der Heide)
Richterin und stellvertretende Direktorin des Amtsgerichts
-Projektleitung-