Historie
Die Geschichte des Amtsgerichts Wildeshausen
Am Anfang stand das sog. Go- oder Desumgericht, dessen geschichtlicher Zeitrahmen geschätzt ca. 1300 Jahre die Zeit von etwa 500 n. Chr. bis 1800, gesichert aber auf jeden Fall 500 Jahre die Zeit von 1300 bis 1800 umfasst.
Im hiesigen Raum lebten überwiegend Sachsen. Diese kannten kein straff organisiertes Herrschaftssystem mit einem König wie andere germanische Stämme. Ihr Siedlungsgebiet war eingeteilt in Gaue. Das heutige südliche Oldenburg umfasste im Wesentlichen drei Gaue, den Lerigau um Visbek, den Dersigau um Damme und Lohne und den Hasegau um Löningen. Das weitaus überwiegende Gebiet des Lerigaus, insbesondere das Kerngebiet um die Linie Cloppenburg – Emstek – Visbek – Wildeshausen gehörte zum Bezirk des Desumsgerichts.
Geschichtlich erwähnt wird das Gogericht erstmalig im 12. Jahrhundert. Das Gericht setzte sich zusammen aus dem Vorsteher und dem Umstand. Der Umstand, also die Umstehenden, bestanden aus der männlichen Bevölkerung, die zu jedem von vornherein feststehenden Termin erscheinen mussten. Ursprünglich wurde der Vorsteher aus den eigenen Reihen gewählt, später, in der karolingischen Zeit, war der Gograf oder sein bestimmter Vertreter der Verhandlungsleiter. Zwischen dem Vorsteher und dem Umstand waren so genannte Urteilsweiser tätig. Das waren einflussreiche und angesehene Männer. In den frühen Zeiten des Gogerichts gab es keine Schöffen. Vielmehr war das Volk unmittelbar an der Rechtsprechung beteiligt. Später fand man aber den Hinweis auf Schöffen, die im Namen des Volkes bzw. Umstandes das Urteil guthießen. Die Zuständigkeit der Gogerichte war zunächst allumfassend, sowohl richterliche Tätigkeiten als auch Verwaltungsaufgaben. Das Gogericht war ursprünglich den freien und auch unfreien Bewohnern zugänglich, für alle zivilrechtlichen, strafrechtlichen und öffentlichen Fälle. Später, besonders aber nach Karl dem Großen, der überall in allen Städten Richter einsetzte, wurde die Gerichtsbarkeit der Gogerichte stetig eingeschränkter. Verfahren wegen Totschlags aber beispielsweise waren noch bis zum 16. Jahrhundert Gegenstand der Gerichtsbarkeit der hiesigen Gogerichte.
Für die Geschichte der modernen Gerichtsbarkeit spielte das Gogericht hingegen nur eine ungeordnete Rolle. So stellt Siedenburg in seinem Beitrag zur Geschichte des Amtsgerichts Wildeshausen in der Festschrift "150 Jahre Amtsgerichte im Oldenburger Land" fest, dass es dieses Gericht zwar als Appellationsgericht gegeben, es im 16. Jahrhundert viermal im Jahr in der Nähe von Emstek im Feld unter einem Baum getagt und ihm außer dem in Vechta sitzenden Gografen von Münster auch der Richter zu Wildeshausen angehört habe. Für die Bürger der Stadt habe es aber seit der Wiedererlangung der Stadtrechte im Jahre 1544 vermutlich keine Rolle mehr gespielt. Keinesfalls könne man es als Vorgänger des hiesigen Amtsgerichts bezeichnen.
Dieses ist vielmehr aus dem örtlichen Amt hervorgegangen, also der Verwaltungsbehörde des Großherzogtums Oldenburg, die bis zur Gründung der Amtsgerichte einen wesentlichen Teil der richterlichen Aufgaben wahrgenommen hatte. Der Amtmann oder Amtshauptmann war zugleich der Amtsrichter.
Das änderte sich im Jahre 1858. Die Justiz wurde nun unabhängig. Das Gesetz vom 29. August 1857 betreffend die Einrichtung der Aemter im Herzogthum Oldenburg (OldbÄmterG) und das Gesetz vom 29. August 1857 betreffend die Gerichtsverfassung im Herzogthum Oldenburg (OldGVG) traten am 1. November 1858 Kraft. Durch diese Gesetze wurde die Bezeichnung "Amtsgericht" eingeführt. Allerdings hatten die Ämter nach der Regelung im Ämtergesetz noch eine Zwitterstellung, indem sie gleichzeitig Verwaltungsbehörde und Gericht waren. In personeller Hinsicht gab es im Ämtergesetz aber bereits eine Aufteilung der Geschäfte auf – in der Regel – zwei rechtkundige unwiderruflich angestellte Beamte, von denen der eine die richterlichen Geschäfte, der andere die Verwaltungsgeschäfte, und zwar jeder selbständig und unabhängig von dem anderen behandeln sollte.
Vor dem Inkrafttreten der Neueinrichtung der Ämter und Amtsgerichte wurden die neuen Amtsbezirke gebildet, was für das Amtsgericht Wildeshausen eine Fläche von 367 qkm bei gut 8.500 (8.507) Einwohnern bedeutete.
Der Norddeutsche Bund von 1867 brachte keine Änderungen bei der Organisation der Amtsgerichte. Erst nach der Reichsgründung im Jahre 1871, nämlich mit Wirkung vom 1. Oktober 1879 erlangten die Amtsgerichte durch die sog. "Reichsjustizgesetze" hinsichtlich ihres Aufbaus und hinsichtlich der Trennung in Zivil- und Strafprozesssachen ihre bis heute beibehaltene Struktur. Das Oldenburgische Gesetz vom 10. April 1879 betr. Die Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes für das Deutsche Reich vom 27. Januar 1877 (OldbGVG) institutionalisierte nunmehr die funktionale Trennung der Amtsgerichte von den Ämtern.
Die oldenburgische Verwaltungsreform von 1933 brachte eine starke Reduzierung der Anzahl der Gemeinden und Ämter, wobei eine Veränderung der Gerichtsbezirke nicht automatisch eintrat. Das Amtsgericht Wildeshausen war weiterhin für eine Fläche von 367 qkm sowie eine auf nunmehr gut 13.000 (13.164) gestiegene Einwohnerzahl zuständig und umfasste - neu definiert - die Stadtgemeinde Wildeshausen sowie die Gemeinden Dötlingen und Großenkneten.
Eine einschneidende Veränderung in der Gerichtsorganisation brachte dann das Jahr 1972 mit sich, was u.a. die Schließung des hiesigen Amtsgerichts und dessen Zuordnung zum Amtsgericht Oldenburg bewirkte. Zu einem – wie Reineke in der bereits erwähnten Festschrift – ausführt "gewissen Abschluss" kam diese Reform der Gerichtsbezirke dann erst im Jahre 1991 mit der Wiedererrichtung des Amtsgerichts Wildeshausen, welches nunmehr für den Bezirk der Stadt Wildeshausen, der Gemeinden Dötlingen und Großenkneten sowie der Samtgemeinde Harpstedt zuständig ist.
Weitere interessante Informationen zur Geschichte des Amtsgerichts Wildeshausen können Sie dem Beitrag des Direktors des Amtsgerichts a. D. Hans Siedenburg in der Festschrift"150 Jahre Amtsgerichte im Oldenburger" entnehmen, die Sie auch käuflich erwerben können.
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